Black Widow und ihre Bedeutung für Female Empowerment im MCU

und warum ihr Tod die falsche Entscheidung war

Superheld – wohl der Traumberuf eines jeden Kindes. Durch die Lüfte fliegen wie Iron Man, in ein grünes, unfassbar starkes Biest mutieren wie Hulk, Pfeil und Bogen mit tödlicher Präzision beherrschen als wäre man Hawkeye, ein Supersoldat wie Captain America sein, oder gleich als Gott des Donners geboren werden. Vor lauter Rittern in schimmernden Rüstungen sollte man allerdings nicht auf Black Widow vergessen – ein Charakter mit dem nicht nur die Avengers begonnen haben, sondern der auch enorm wichtig für „Female Empowerment“ im MCU ist. Inmitten einer Menge an männlichen Superhelden, ist sie lange die einzige weibliche Heldin gewesen – und hat sich gerade als sie ein aufgehender Stern am Himmel war für die Rettung der Welt opfern dürfen. Aber beginnen wir doch von ganz vorne.

Das MCU, kurz für Marvel Cinematic (früher Cinema) Universe, ist seit Iron Man zu einem der größten und erfolgreichsten Franchise überhaupt geworden. Milliarden von Box Office Einnahmen, teilweise pro Film, und ein enorm riesiges Fandom, das oft besser über die einzelnen Charaktere Bescheid weiß, als so mancher Produzent. Das MCU kann sich also wirklich sehen lassen.

Begonnen hat alles mit den erfolgreichen Comicbüchern von Marvel. Marvel verkaufte die Filmrechte an verschiedene Hollywood-Studios und erhielt dafür lediglich „Lizenzgebühren“ an den Filmen. Nach anfangs mittelmäßigem Erfolg, scheiterten in den 1990er Jahren verschiedene Filmprojekte und so wurden Projekte wie etwa Thor, Iron Man oder Captain America nie weiter realisiert. Als es dann Anfang der 2000er mit der Spider-Man Reihe und den X-Men Filmen wieder bergauf ging, beschloss Marvel, selbst Kinofilme zu produzieren und so die kompletten Einnahmen für sich zu behalten, anstatt trotz der erfolgreichen Filme durch die Finger zu schauen. Demzufolge könnte man also Storm, Jean Grey und Rogue als Mitglieder der X-Men als die ersten weiblichen Superhelden anerkennen – die Frage ist nur, wie groß ihre Reichweite damals wirklich war (Iron Man 2 hatte bereits das Dreifache an Box Office Einnahmen) und vor allem, ob sie wirklich zu dem MCU zählen, das wir heute kennen. Denn eigentlich sind sie Teil des Marvel Comic Universums und wurden von 20th Century Fox lediglich verfilmt. Auch die Neuverfilmung Dark Phoenix durch 20th Century Fox (nicht durch das MCU!) legt nahe, dass die X-Men der 2000er Jahre zwar dieselbe Quellen wie das MCU haben, aber kein Teil dieses Universums sind.

Nachdem also 2005 das Tochterunternehmen Marvel Studios gegründet wurde, gingen in den nächsten Jahren reihenweise Filmrechte, wie etwa Thor, zurück an Marvel. Aus diesem Grund wurden damals auch Projekte wie „Shang-Chi“ nicht weiter verfolgt und vorübergehend auf Eis gelegt. Stattdessen hat man sich auf die ursprünglichen Avengers Mitglieder und die Idee, so ein gemeinsames Universum zu erschaffen, fokussiert. Mit Iron Man legte das MCU schließlich 2008 einen erfolgreichen Start in der Filmbranche hin.

Was man vielleicht an diesem Punkt noch klarstelle sollte: Nein, Black Widow war nicht die allererste Frau im MCU – mit diesem Titel darf sich wohl Pepper Potts rühmen. Sie mag auch nicht die erste weibliche Superheldin in der Timeline innerhalb des MCU gewesen sein, aber sie war die erste weibliche Superheldin für uns Zuseher – denn für uns ist vor allem die chronologische Reihenfolge der Filme relevant.

Black Widow aka Natasha Romanoff tritt das erste Mal in Iron Man 2 auf – als die begehrenswerte, sexy Assistentin für Tony Stark, der auch prompt Gefallen an ihren Äußerlichkeiten findet. Das Klischee scheint perfekt. Denn auch wenn sich dann herausstellt, dass sie eigentlich eine Assassine ist, die für S.H.I.E.L.D. arbeitet und deren Auftrag es ist, Tony Stark für das Projekt „Avengers“ zu rekrutieren, so wird doch immer deutlich, dass vor allem ihr Auftreten stark sexualisiert wird. Ich verweise hier nur auf den hautengen, schwarzen Lederanzug dessen Reißverschluss wirklich immer zu einem tiefen Ausschnitt geöffnet ist. (Nicht zu vergessen, dass sie gleich zu Anfang unterschätzt wird, als sie in den Boxring mit Happy steigt)

Es scheint oft vergessen zu werden, dass Natasha Romanoff eigentlich eines der – wenn nicht sogar das – Gründermitglieder der Avengers ist. Schließlich war sie, wie oben erwähnt, eigentlich diejenige, die Tony Stark, Hulk, etc. ins Boot geholt hat. Dass trotzdem Iron Man an der Spitze gelandet ist scheint fast eine gewisse Parallele zu dem Beruf eines Assassinen zu erschaffen: Sie können mit ihren Einsätzen zwar globale Wirkungen erzielen, werden meistens aber lediglich auf „supportive roles“ reduziert.

Glücklicherweise lässt das MCU zumindest den „Sexy Assistentin-Aspekt“ nach Iron Man 2 unter den Tisch fallen und Black Widow mausert sich langsam zu einem vielschichtigen Charakter, dessen Wesensmerkmale nicht mehr nur auf „weiblich“ und „sexy“ beschränkt sind. Schon in Iron Man 2 werden Black Widows Fähigkeiten als Assassine immer wieder in Szenen angedeutet – zum Beispiel als sie am Ende mit Happy zu Hammer Industries fährt und mehrere Security Guards erledigt – während Happy einen einzigen schafft. Oder zu Beginn von „Avengers“, als sie von einem russischen General und seinen Schlägern brutal verhört wird. Spoiler: sie erledigt sie mit links und gebundenen Händen. Auch wenn sie dabei natürlich einen kurzen Rock trägt.

Vor allem in „Avengers: Age of Ultron“ und „Captain America: Civil War“ wird deutlich, dass Black Widows Hauptrolle die der Assassine ist.

Fraglich hingegen ist meiner Meinung nach ihre Rolle in Liebesbeziehungen mit manchen Avengers. Damit meine ich nicht per se, dass sie in keinen Beziehung(en) sein sollte (mehrere Charaktere des MCUs verlieben sich schließlich im Laufe der Filme) sondern eher, dass ihr Charakter dabei meist als Katalysator für die jeweils anderen eingesetzt wird. Während also Black Widow die Charakterentwicklung der anderen vorantreibt, bleibt sie selbst im Hintergrund. Es wäre ja nicht so, als hätte sie keine eigenen Baustellen (Red Room hat da wahrlich eine beachtliche Anzahl kreiert). Aber während Iron Man, Thor, Hulk und Captain America ihre eigenen Filme bekommen und über sich hinauswachsen können, steckt Natasha zurück – außer natürlich sie wird wieder gebraucht, um mit den Hulk mit sanften Worten zu beschwichtigen. (Erwähnenswert ist hier wohl, dass manchmal Tony Stark an ihre Stelle tritt, um Bruce Banner zurückzubringen. Interessanterweise aber nicht mit beruhigenden Worten und Händchenhalten, sondern indem er ihn einfach so lange schlägt, bis er bewusstlos ist. I mean, wir wissen alle, dass Tony am Ende einfach nicht der Typ fürs Händchenhalten ist.)

Schließlich und endlich, nach 13 sehr langen Jahren im Hintergrund, bekommt Black Widow das was ihr zusteht: Einen eigenen Solo Film (Der übrigens auch den allerersten weiblichen Solo Director in der Geschichte des MCU hat). Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass das nach ihrem Tod ist, denn Black Widow opfert sich in Endgame um die Welt zu retten.

Es ist also interessant zu sehen, dass die allererste weibliche Superheldin des MCU zuerst jahrelang im Schatten ihrer männlichen Mitstreiter steht und erst dann die verdiente Aufmerksamkeit bekommt, als sie bereits gestorben ist. Nicht nur scheint es so, als wäre sie erst durch ihren dramatischen Tod (der wohl bemerkt im Schatten des Todes von Tony Stark stand) wichtig genug geworden, um einen eigenen Film zu verdienen, sondern auch, dass sie jetzt, wo sie es endlich geschafft hätte nach oben zu kommen und den Platz von Nick Fury einzunehmen, nicht die verdienten Lorbeeren ernten darf. Während sie also den Weg für weitere weibliche Superheldinnen wie Wanda Maximoff (die zur Zeit als stärkster Charakter des MCU geführt wird) oder Captain Marvel (die anstatt Black Widow den ersten weiblichen Solo Film im MCU überhaupt bekommen hat) geebnet hat, ihren männlichen Teamkollegen mehr als einmal den Arsch gerettet hat und bei deren persönlichen Wehwehchen eine stabile mentale Stütze war und ihre eigenen Probleme und Traumata konstant hinten angestellt hat, hat sie noch dazu eine wichtige Rolle für jede Frau und jedes Mädchen in der echten Welt gespielt. Indem sie ihnen jemanden gegeben hat, zu dem sie aufschauen konnten, indem sie nie aufgegeben hat. (Und wohl auch indem Scarlett Johansson die unzähligen immer wiederkehrenden Fragen nach ihrer Unterwäsche unter dem Lederanzug (anstatt zur Charakterentwicklung von Black Widow) stets mit Ironie und unangenehmen Gegenfragen gekontert hat.)

Höhepunkt ist wahrscheinlich wirklich ihr Tod – aber nicht, weil sie zu dem Zeitpunkt wohl an der Spitze ihrer Karriere gewesen ist, sondern weil er mit jedem MCU Film/Serie unnötiger wird. Angefangen damit, dass sie wahrscheinlich sehr viel mehr verdient hat, als in der Mitte des Filmes zu sterben, ohne überhaupt die Chance zu haben in dem großen, epischen Battle des Finales mitzuwirken. Gut, dass sie also damals die Avengers zusammengesucht hatte - dank ihr konnten sie noch einmal wie richtige Helden aussehen. Denn während ihr Tod tragisch und absolut unfair gewesen ist, rückt er noch dazu relativ schnell (wieder einmal) in den Hintergrund, als Tony Stark sich heldenhaft aufopfert um Thanos’ Snap rückgängig zu machen und somit die Welt zu retten. (Übrigens sollte man vielleicht auch erwähnen, dass Natasha's Schwester beim Blib ebenfalls verschwunden ist. Nichts also mit großer Sister-Quality-Time nach der herzzerreißenden Reunion in Black Widows Solofilm.)

Den Vogel schießt wohl aber die TVA (Time Variance Authority) in Lokis eigener Miniserie ab: Während Loki dort als vermeintlicher Verbrecher gegen den Zeitstrahl festgehalten wird, stellt sich heraus, dass die Mitarbeiter der allerwertesten TVA so viele Infinity Steine herumliegen haben, dass sie sie schlicht als Briefbeschwerer benutzen. Darunter natürlich auch jener Infinity Stein, für den Black Widow sich geopfert hat.

Es stellt sich die Frage, ob es wirklich gerecht (oder klug) war, einen Charakter, der doch so viel geleistet hat (vor allem für die Frauen der echten Welt) ein so ungnädiges Ende erleiden zu lassen – beziehungsweise überhaupt ein Ende erleiden zu lassen, wenn sich endlich die Chance ergeben hätte, ins Rampenlicht zu treten. Natasha Romanoff hätte es mehr als verdient, an Nick Furys Stelle die restlichen Avengers zu leiten oder Neue zu rekrutieren und die Lorbeeren zu ernten, auf die sie so lange hingearbeitet hat. Ihr Charakter hätte noch sehr viel mehr zu bieten gehabt – vor allem an Entwicklung. Da hätte man dann auch gleich noch ihre Freundschaft zu Wanda Maximoff stärken und erforschen können, denn obwohl sie so vielversprechend angedeutet wurde, hatte sie nie wirklich Chancen aufzublühen – selbes gilt für die Beziehung zu Yelena. Schade eigentlich, wenn man bedenkt, wie badass und mächtig dieses Trio hätte sein können.

Natasha Romanoff alias Black Widow ist in vielerlei Hinsicht einer der wichtigsten Charaktere des MCU und trotzdem wahrscheinlich einer der am meisten unterschätzten. Während sie jahrelang im Schatten ihrer männlichen Mitstreiter gestanden hat und dabei den Weg für viele andere weibliche Charaktere ins MCU geprägt hat, wäre all das verkraftbar gewesen – wäre sie nicht an einem Punkt gestorben, als sie endlich einen Fuß im Rampenlicht gesetzt hat. Natürlich, jeder Charakter stirbt irgendwann, niemand ist unsterblich (außer vielleicht Dr. Manhattan aus Watchmen) und das Leben ist hart und unfair. Doch muss man bedenken, welche Wirkung es auf die Fans (vor allem die weiblichen) hat, wenn man einen Charakter, der so eine so wichtige Rolle für Female Empowerment spielt, genau dann aus dem Spiel nimmt, wenn er endlich empowered ist. Vor allem, wenn der Tod nach und nach immer unsinniger erscheint und die Frage aufwirft, was der wahre Nutzen daraus ist: Eine vom Weltuntergang erzwungene, tragisch-heroische Opfergabe oder einmal mehr ein Mittel zum Zweck für Hawkeyes Charakterentwicklung?

Ein Essay von Alina Spatt

Quellenangaben:

„Black Widow: Female Representation in the Marvel Cinematic Universe“ von Madelaine Gerard und Mark Poepsel

https://de.wikipedia.org/wiki/Marvel_Cinematic_Universe

https://de.wikipedia.org/wiki/X-Men_(Filmreihe)

https://screenrant.com/mcu-female-characters-most-phase-4-potential-nebula-captain-marvel/

https://screenrant.com/milestones-female-women-mcu-marvel-cinematic-universe/

https://theconversation.com/higher-further-faster-marvels-first-female-cinematic-superhero-112678